Völkerrechtswidriges Vorgehen des türkischen Militärs in Nord-Syrien verurteilen – Accountability in Deutschland stärken

Veröffentlicht am 18. Januar 2024


Zur heute beim Generalbundesanwalt eingegangene Strafanzeige gegen Mitglieder protürkischer Milizen im Norden Syriens erklären Lamya Kaddor, stellv. Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Max Lucks, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
 

Seit dem völkerrechtswidrigen militärischen Vorgehen der Türkei in Nord-Syrien ab 2018 gibt es Berichte über Menschenrechtsverletzungen. Seit Oktober 2023 greift die türkische Luftwaffe gezielt die zivile Infrastruktur in den kurdischen Gebieten in Nord-Syrien an, viele Menschen müssen ohne Strom und Wasser leben. Erst am Montag sollen türkische Drohnen das Elektrizitätswerk in Suwaidiyah zerstört haben. Es zielt auf eine strategische Destabilisierung der Region ab und heizt die Gewaltspirale zusätzlich an. Dieses inakzeptable Vorgehen verurteilen wir in aller Deutlichkeit.
 

Darüber hinaus setzt die Türkei seit 2018 gezielt pro-türkische Milizen in den besetzten Gebieten ein, die sich aus ehemaligen Konfliktparteien des syrischen Bürgerkrieges rekrutieren. Viele von ihnen haben sich in der Syrian National Army (SNA) zusammengeschlossen, die im Auftrag Erdogans die türkische Sicherheitszone in Nord-Syrien kontrolliert. Berichte über Folter, Exekutionen und der gezielten Ansiedelung von Arabern und Turkmenen zur Verhinderung eines zusammenhängenden kurdischen Siedlungsgebietes existieren seit 2018. Die Hinweise aus der kurdischen Zivilbevölkerung über eine türkische Assimilationspolitik müssen ernst genommen werden und auf laute Kritik stoßen.
 

Vor diesem Hintergrund ist ein mögliches Ende der Straflosigkeit von besonderer Bedeutung. Wir begrüßen ausdrücklich die heute durch mutige Zeug*innen und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) eingereichte Strafanzeige bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen vier Milizen der SNA und sieben Einzelpersonen, um eine Anklage nach dem Weltrechtsprinzip wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erwirken.
 

Die Türkei ist wichtiger Partner in der NATO und dies verpflichtet auch dazu, zu einer multilateralen Außen- und Sicherheitspolitik zurückkehren. In Angesicht der internationalen Konflikte weisen wir die aggressive Außenpolitik der türkischen Regierung entschieden zurück. Die Besetzung von Teilen Nordsyriens verurteilen wir erneut. Neben der wichtigen Arbeit im Zusammenhang mit Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine dürfen die Taten der verschiedenen Konfliktparteien im syrischen Bürgerkrieg nicht in Vergessenheit geraten – sei es durch das Assad-Regime, den IS oder pro-türkische Milizen. Präsident Erdoğan und seine Proxys nutzen genau diese Ausweglosigkeit als Zeitgewinn für ihre Politik.
 

Wir setzen uns daher mit Nachdruck dafür ein, Accountability in Deutschland zu stärken, damit Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgeklärt werden – für Gerechtigkeit und gegen das Vergessen.




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