Gemeinsame Erklärung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zur Lage der Menschenrechte in Ägypten

Veröffentlicht am 14. Juni 2023

Foto: Mosaab Elshamy

**English version below**

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat in seiner Sitzung am 14.06.2023 eine gemeinsame Erklärung seiner Mitglieder durch die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Lage der Menschenrechte in Ägypten verabschiedet. Die LINKE enthielten sich und die AfD votierte gegen die Erklärung. Die Erklärung lautet wie folgt:

Erklärung der Mitglieder des Ausschusses für Menschenrechte und humani­täre Hilfe von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Lage der Menschenrechte in Ägypten:

Im Vorfeld der Ausrichtung der 27. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkom­mens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 6. bis 18. November 2022 (COP 27) unternahm die ägyptische Regierung begrüßenswerte Schritte zur Öffnung des Landes. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes im Oktober 2021, die Verabschiedung einer nationalen Menschenrechtsstrategie im September 2021, die Neueinsetzung eines Nationalen Men­schenrechtsrates im Januar 2022 sowie das 2022 ausgerufene „Jahr der Zivilgesellschaft” vermittelten einen Eindruck des Reformwillens. Die positiven Effekte der Stärkung von Men­schenrechten blieben jedoch marginal und beschränkt auf rein symbolische Akte.

Derzeit befinden sich in Ägypten über 60.000 Menschen in politischer Haft, von denen im ver­gangenen Jahr weniger als ein Prozent freigelassen wurden.

Die ägyptische Regierung versucht durch Gesetze systematisch, die kritische Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen. Dazu zählen u.a. das Gesetz über nichtstaatliche Organisationen von 2019, das Gesetz zur Bekämpfung der Cyber- und Informationstechnologie-Kriminalität von 2018, das Gesetz über terroristische Einrichtungen von 2015 sowie das Gesetz über öf­fentliche Versammlungen und friedliche Demonstrationen von 2013. Sie zielen insbesondere darauf ab, kritische Journalistinnen und Journalisten und Menschenrechtsorganisationen in ihrer Arbeit massiv einzuschränken sowie politische Meinungsäußerungen zu unterbinden. Willkürliche Masseninhaftierungen und -prozesse werden fortgesetzt. Zehntausende wurden vor Militär- und Notstandsgerichte für Staatssicherheit und ohne Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze gestellt.

Der Fall von Alaa Abd al-Fattah steht symbolisch für den repressiven Umgang der ägyptischen Behörden mit politisch Andersdenkenden. Die Haftbedingungen sind prekär und unmensch­lich. Auf willkürliche Festnahmen folgen regelmäßig unrechtmäßige Verlängerungen der Un­tersuchungshaft bis zu zwei Jahren. Während der Haft sind die Inhaftierten Folter, Repression und Gewalt ausgesetzt. Immer wieder sterben Menschen im Gefängnis oder kurz nach ihrer Freilassung, weil ihnen medizinische Versorgung während der Haft verweigert wurde und sie unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert waren. Besonders alarmierend sind Be­richte weiblicher und auch männlicher Gefangener über sexualisierte Gewalt sowie Berichte über die Nichteinhaltung von Kinderschutzstandards im Justizsystem.

Darüber hinaus sind insbesondere Frauen und Mädchen, LSBTI und religiöse Minderheiten, vor allem koptische Christen, von gesellschaftlich tief verwurzelter Diskriminierung im privaten und öffentlichen Leben betroffen. So ist häusliche Gewalt gegen Frauen de facto nicht verbo­ten. Ebenso werden brutale Genitalverstümmelung und die menschenunwürdige Verheiratung von Minderjährigen noch immer nicht geahndet.

Die Missachtung der Menschenrechte und das ausgedehnte System der Straflosigkeit, insbe­sondere innerhalb der ägyptischen Sicherheitsbehörden, müssen enden. Das Militär muss sich endlich von der unverhältnismäßigen Einmischung in alle wichtigen gesellschaftlichen Be­reiche zurückziehen.

Obwohl Pressefreiheit verfassungsrechtlich verankert ist, ist die ägyptische Medienlandschaft weitestgehend gleichgeschaltet. Unabhängige Publikationen im Internet werden gesperrt und

somit für die Bevölkerung de facto kaum zugänglich. Im Februar 2021 verabschiedete Ägyp­tens Regierung die Ausführungsbestimmungen des Nichtregierungsorganisationen (NRO-)Gesetzes und schränkte damit den Raum für zivilgesellschaftliches Engagement immer wei­ter ein.

Die Abgeordneten von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe stehen an der Seite der engagierten Zivilgesellschaft in Ägypten, die sich trotz systematischer Repressalien in kritischer und mutiger Haltung weiterhin für Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit und Minderheitenschutz einsetzt.

Ägyptens nationaler Menschenrechtsstrategie müssen die darin angekündigten Schritte nun dringend folgen. Es ist nicht hinnehmbar, dass mit Menschenrechtsreformen taktiert wird.

Wir verurteilen insbesondere Folter und sexualisierte Gewalt in ägyptischen Gefängnissen und das Verschwindenlassen von Personen. Alle diese grausamen Verbrechen müssen aufhören, lückenlos aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir unterstützen den Einsatz der Bundesregierung und der EU für ein Ende der Todesstrafe in Ägypten.

Wir unterstützen die Forderung der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft nach sofortiger Freilassung des britischen Staatsbürgers Abd el-Fattah. Ihm muss seine si­chere Ausreise nach Großbritannien erlaubt und sein Anwalt Mohamed El-Baqer umgehend freigelassen werden.

Wir sprechen uns dafür aus, dass im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ein Überwa-chungs- und Berichtserstattungsmechanismus für schwere Menschenrechtsverletzungen in Ägypten etabliert wird und die dortige Menschenrechtslage im Menschenrechtsrat deutlich the­matisiert wird. Darüber hinaus bestärken wir die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-

Partnern in diplomatischen Gesprächen Menschenrechtsverletzungen zu adressieren.

Statement by the members of the Committee on Human Rights and Humanitarian Aid of SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen and FDP on the human rights situation in Egypt:

In English:

At its meeting on 14.06.2023, the Committee on Human Rights and Humanitarian Aid adopted a joint statement by its members through the parliamentary groups of SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen and FDP on the situation of human rights in Egypt. The LINKE abstained and the AfD voted against the declaration. The statement reads as follows:

Statement by the members of the Committee on Human Rights and Humanitarian Aid of SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen and FDP on the situation of human rights in Egypt:

In the run-up to the hosting of the 27th Conference of the Parties to the United Nations Framework Convention on Climate Change from November 6 to 18, 2022 (COP 27), the Egyptian government took welcome steps to open up the country. The lifting of the state of emergency in October 2021, the adoption of a national human rights strategy in September 2021, the reconstitution of a National Human Rights Council in January 2022, and the “Year of Civil Society” proclaimed in 2022 gave an impression of the will to reform. However, the positive effects of strengthening human rights remained marginal and limited to purely symbolic acts.

There are currently over 60,000 people in political prison in Egypt, of whom less than one percent were released last year.

The Egyptian government systematically attempts to silence critical civil society through legislation. These include the 2019 Law on Non-Governmental Organizations, the 2018 Law on Combating Cyber and Information Technology Crime, the 2015 Law on Terrorist Entities, and the 2013 Law on Public Assemblies and Peaceful Demonstrations. In particular, they aim to impose massive restrictions on the work of critical journalists and human rights organizations, as well as to prevent political expression. Arbitrary mass detentions and trials continue. Tens of thousands have been tried in military and emergency state security courts without regard for the rule of law.

The case of Alaa Abd al-Fattah is symbolic of the Egyptian authorities’ repressive treatment of political dissidents. Prison conditions are precarious and inhumane. Arbitrary arrests are regularly followed by unlawful extensions of pre-trial detention of up to two years. While in custody, detainees are subjected to torture, repression and violence. Time and again, people die in prison or shortly after their release because they were denied medical care while in custody and were detained under inhumane conditions. Particularly alarming are reports by female and also male prisoners of sexualized violence, as well as reports of non-compliance with child protection standards in the justice system.

In addition, women and girls, LGBTI and religious minorities, especially Coptic Christians, are particularly affected by socially deep-rooted discrimination in private and public life. For example, domestic violence against women is not de facto prohibited. Similarly, brutal genital mutilation and the inhumane marriage of minors are still not punished.

The disregard for human rights and the extensive system of impunity, especially within Egypt’s security agencies, must end. The military must finally withdraw from its disproportionate interference in all important areas of society.

Although freedom of the press is enshrined in constitutional law, the Egyptian media landscape is largely homogenized. Independent publications on the Internet are blocked and thus de facto barely accessible to the population. In February 2021, Egypt’s government passed implementing regulations for the Non-Governmental Organizations (NGO) Law, further restricting the space for civil society engagement.

The members of the SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/ Die Grünen and FDP in the Committee on Human Rights and Humanitarian Aid stand by the committed civil society in Egypt, which continues to stand up for human rights, freedom of expression and press freedom and the protection of minorities in a critical and courageous stance despite systematic repressive measures.

Egypt’s national human rights strategy must now be urgently followed by the steps announced therein. The tactical maneuvering with human rights reforms is unacceptable.

We particularly condemn torture and sexual violence in Egyptian prisons and enforced disappearances. All of these atrocious crimes must stop, must be fully investigated, and those responsible must be held accountable.

We support the German government’s and the EU’s commitment to an end to the death penalty in Egypt.

We support the demand of the German government and the international community for the immediate release of the British citizen Abd el-Fattah. He must be allowed safe passage to Great Britain and his lawyer Mohamed El-Baqer must be released immediately.

We advocate that a monitoring and reporting mechanism for serious human rights violations in Egypt be established in the United Nations Human Rights Council and that the human rights situation there be clearly addressed in the Human Rights Council. In addition, we are encouraging the German government, together with its EU partners to address human rights violations in diplomatic talks.

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