Veröffentlicht am 19. Dezember 2024
Die Rede kann wie folgt mitgelesen werden:
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Fall von Assad hat eine Lüge aus dem Kreml ein für alle Mal entlarvt, nämlich die Lüge über seinen angeblichen Rückhalt in der Bevölkerung Nicht die Menschen in Syrien haben Assad an der Macht gehalten, sondern allein seine Brutalität, seine Schlachthäuser für Menschen, seine jahrhundertealten Foltermethoden, sein Krieg gegen die eigene Bevölkerung.
Deutschland hat mit den Urteilen des OLG Koblenz von 2021 und 2022 als erstes Land der Welt angefangen, die Verbrechen Assads noch vor dessen Sturz aufzuarbeiten. Weil wir das Weltrechtsprinzip auch in Deutschland gestärkt haben, können wir Herrn Assad aus Deutschland zurufen: Wir werden nicht aufhören, Ihre Verbrechen, Ihre Straftaten aufzuarbeiten, bis Sie eines Tages selbst vor Gericht stehen; denn da gehören Sie hin.
Zum Gesamtbild in Syrien gehört auch, dass die Kurden im Norden einen großangelegten Angriff der Türkei mit Unterstützung islamistischer Milizen erfahren. Seit dem Sturz Assads wurden in Nordsyrien mehr als 100 000 Menschen durch die Angriffe der SNA vertrieben. Die Stadt Kobanê ist aktuell umzingelt, ausgerechnet die Stadt, die 2014 von den Kräften der syrisch-kurdischen SDF gegen den IS verteidigt wurde. Es ist nicht auszuhalten, dass ausgerechnet diejenigen, die die Menschheit vor dem IS gerettet haben, jetzt Angriffe von einem NATO-Partner befürchten müssen. Ich bin der Außenministerin sehr dankbar, dass sie gestern klare Worte dazu gefunden hat.
Wir sind nun alle gefragt, auf Präsident Erdoğan einzuwirken, dass er die Waffen zum Schweigen bringt und die Angriffe auf die Kurden im Norden Syriens endlich unterlässt.
Lieber Nobert Röttgen, ich kann verstehen, dass man als Opposition versucht, Kritik an der Bundesregierung zu äußern. Aber angesichts des Auftritts von Frau von der Leyen in Ankara vermisse ich da eine klare Haltung der Union. Die Bundesaußenministerin hat diese gezeigt. Frau von der Leyen stand ohne ein Wort der Kritik nett lächelnd neben Herrn Erdoğan, während die deutsche Bundesaußenministerin in dieser Frage zum Glück Position bezog und forderte, dass es keine Angriffe auf die Kurden geben darf. Das ist strategisches Geschick, das ist Haltung. Es ist gut, dass beides unseren Kompass bestimmt.
Die Freude über den Sturz von Assad ging quer durch alle ethnischen und religiösen Gruppen dieses wunderbaren Landes. Kurden, Drusen, Jesiden, Alawiten, Christen, darunter viele Assyrer, haben den Fall von Assad ausdrücklich begrüßt, weil sie Hoffnung auf ein Syrien haben, in dem alle Menschen in Freiheit, in Frieden und in Sicherheit leben können. Wie alle anderen Menschen in Syrien möchten auch sie nicht in einem Land leben, in dem ein Diktator eine Bevölkerung quält, die zu 90 Prozent in Armut lebt. Auf unsere humanitäre Hilfe im Hier und Jetzt, auf unsere Entwicklungszusammenarbeit, auf unsere Außenpolitik kommt es mehr denn je an.
Ich denke heute an Gregorius Yohanna Ibrahim, den syrisch-orthodoxen Erzbischof von Aleppo, der 2013 vom IS entführt wurde und der ein Vermächtnis hinterlassen hat. Er wird bis heute vermisst; von ihm fehlt jedes Lebenszeichen. Er hat etwas gesagt, das Anspruch für unser Handeln sein sollte: Syrien ist ein Land der Vielfalt, und in dieser Vielfalt liegt unsere Stärke. Wir sind ein Mosaik aus verschiedenen Glaubensrichtungen und Kulturen, das zusammen ein starkes und harmonisches Ganzes bildet. – Das ist es, was die Menschen in Syrien fühlen, und sie verdienen es, dass wir sie auf diesem Weg unterstützen, meine Damen und Herren.
Deshalb, lieber Volker Ullrich, vielen Dank für Ihre sehr gute Rede, in der Sie deutlich machten, worum es für die Menschen in Syrien jetzt wirklich gehen muss: um humanitäre Hilfe, um die vielen internationalen Prozesse, um ein starkes Engagement Deutschlands und nicht darum, die erstbeste Abschiebedebatte anzustoßen.
Ich hätte mir gewünscht, bei dieser Rede hätte Markus Söder auf der Bank der Ländervertreter gesessen und zugehört. Denn es muss unser Anspruch sein, zu erkennen, was die Menschen in Syrien auf dem Weg zu Stabilität und Ausgleich brauchen.
Herzlichen Dank.
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